E I N S S E I N   M I T   G O T T 
F a c e t t e n   d e r   M y s t i k

Islam

 

 

„Das Ende der Wandernden ist Erreichen.
Aber was könnte das Ende derer sein, die Vereinigung erreicht haben – eine Vereinigung, in der es keine Trennung mehr gibt?“
(Ibn ´Ata Allah, ägyptischer Mystiker, 1259 - 1309)
(Schimmel 2009, S. 245)

 

„Und denke so inständig Gottes, bis selber du ganz dich vergisst, 
Dass du im Gerufenen aufgehst, wo Rufer und Ruf nicht mehr ist!“
(Rumi, persischer Sufi-Mystiker, 1207 - 1273)
(Schimmel 2009, S. 257)

 

 „Stille ist die Sprache Gottes, und alles andere ist nur eine schlechte Übersetzung.“
(Rumi zugeschrieben)

 

„Ich versuchte, ihn zu finden am Kreuz der Christen, aber er war nicht dort. Ich ging zu den Tempeln der Hindus und zu den alten Pagoden, aber ich konnte nirgendwo eine Spur von ihm finden. Ich suchte ihn in den Bergen und Tälern, aber weder in der Höhe noch in der Tiefe sah ich mich imstande, ihn zu finden. Ich ging zur Kaaba in Mekka, aber dort war er auch nicht. Ich befragte die Gelehrten und Philosophen, aber er war jenseits ihres Verstehens. Ich prüfte mein Herz, und dort verweilte er, als ich ihn sah. Er ist nirgends sonst zu finden.“
(Rumi zugeschrieben)

Der Originaltext hierzu lautet:
„Ich war am Tag da keine Namen waren,
noch irgend ein Anzeichen von Dasein mit Namen begabt war.
Durch mich wurden Namen und Bekanntes wirklich,
am Tag, als da weder „ich“ noch „wir“ war. -
Als Zeichen ward die Lockenspitze des Geliebten ein Zentrum der Offenbarung!Bis dahin war die Spitze dieser schönen Locke nichts.

Ich suchte bei Kreuz und Christen, von End zu End.
Er war nicht am Kreuz.
Ich kam zum Götzentempel, kam zur alten Pagode:
Keine Spur war da zu finden.
Ich kam zu den Bergen Harat und Kandahar.
Ich sah mich um, er war nicht im Bergland.

Ich nahm mir’s vor und stieg zum Gipfel des Kat.
Dort war bloß die Wohnstätte des Anka.
Ich griff die Zügel, um in der Kaabu nachzuforschen;
er war nicht in diesem Sammelpunkt von jung und alt.

Ich schaute in mein eigenes Herz;
da sah ich ihn. Er war nicht anderswo. -
Außer dem seelenlautern Schems din Tebris
war niemand trunken, berauscht und verzückt.“

(Rūmī et al. 1981, S. 33)


„Was ist zu tun, o Moslems?
Ich kenne mich selbst nicht mehr.
Ich bin weder Christ noch Jude, weder Perser noch Moslem. –
Ich bin vom Osten nicht und nicht vom Westen, vom Lande nicht und nicht vom Meer, nicht aus der Werkstatt der Natur, noch aus dem kreisenden All.

Ich bin nicht aus Erde, Wasser, Luft oder Feuer.
Ich komme nicht aus dem Empyreum, noch aus dem Staub, bin nicht im Endlichen noch im Unendlichen. -
Ich komme nicht aus Indien, China oder Bulghar, nicht aus dem Königreich des Irak noch vom Lande Chorassan. –
Ich bin weder von dieser Welt, noch von jener, nicht aus dem Paradies und aus der Hölle nicht.

Mein Ort ist ortlos, spurlos meine Spur, mein Körper körperlos und seelenlos die Seele, denn ich gehöre dem Geliebten.
Alles Endliche wird so unendlich.
Ich habe alle Trennung überwunden, ich sehe beide Welten als All-Einheit.“

(Rūmī et al. 1981, S. 67)

 

„Ein Mensch in Gott ist trunken ohne Wein
und satt auch ohne Fleisch.

Ein Mensch in Gott lebt in Erstaunen und Verzückung,
er braucht nicht Nahrung noch Schlaf.

Ein Mensch in Gott ist König in der Derwischkutte,
ist ein verborgener Schatz in einer alten Burg.

Ein Mensch in Gott hat keinen Leib aus Staub und Wind,
aus Feuer oder Wasser.

Ein Mensch in Gott ist Teil vom grenzenlosen Meer,
und darum kann er Wunderperlen ohne Wolken regnen.

Ein Mensch in Gott hat hundert schöne Monde
und hundert Liebessonnen, ja hundert Himmel.
In Betrachtung der Wahrheit wurde er weise, nicht durch Bücher.

Dem Menschen in Gott stellt sich die Frage
nach dem rechten Glauben nicht.
„Richtig“ und „falsch“ sind ihm zwei Hälften einer Sache

Ein Mensch in Gott wirkt nicht im Alltagsleben.
Sein Glanz bleibt ihm und anderen verborgen.“

(Rūmī et al. 1981, S. 70 f.)


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                                            Die Königin der Fische

Eine Hindu-Geschichte, die von dem Sufi-Meister Inayat Khan (1882 – 1927) erzählt wird:
Ein Fisch ging „zur Königin der Fische … und fragte: »Ich habe immer vom Meer gehört, aber was ist das, dieses Meer? Wo ist es?« 
Die Königin der Fische erklärte: »Du lebst, bewegst dich und hast dein Sein im Meer. Das Meer ist in dir und außerhalb deiner, du bist aus Meer gemacht, und du wirst im Meere enden. Das Meer umgibt dich als dein eigenes Wesen.«“
(Reps und Olvedi 1998, S. 207)